Am freien Samstag eine erste Zwischenreflexion auf die vergangenen Tage: Welche Themen stehen im Vordergrund? Wo waren meine persönlichen Highlights?
Dem Motto der Vollversammlung entsprechend "Gott des Friedens, weise uns den Weg zu Gerechtigkeit und Frieden" nimmt die Frage nach dem aktiven Handeln der Kirchen und des ÖRK für Gerechtigkeit und Frieden einen breiten Raum ein. Schon im Eröffnungsgottesdienst wurde in einer Klagelitanei konkret benannt, worunter Menschen in den Regionen der Welt leiden: Immer wieder wurde auf Gewalt gegen Frauen und Kinder, Menschenhandel, Vergewaltigung als Kriegswaffe, häusliche Gewalt hingewiesen. Eine weitere Situation des Leidens ist der Nahe Osten, vor allem der Krieg in Syrien und der Exodus der Christen aus der Region. Und die Folgen des Klimawandels, die vor allem von den Betroffenen aus der Pazifik geschildert werden.
Der Bericht des Vorsitzenden des Zentralausschusses, Walter Altmann aus Brasilien, zählte zahlreiche Situationen auf, in denen der ÖRK in den letzten sieben Jahren aktiv gewirkt hat: Beim Zustandekommen des UN-Abkommens über Waffenhandel, Initiativen zur Überwindung von Gewalt zwischen Muslimen und Christen in Nigeria, das Ökumenische Begleitprogramm in Israel und Palästina, aber auch in Kolumbien, die Unterstützung zur Aufarbeitung der Diktatur in Brasilien.
Auf dem Markt der Möglichkeiten - der hier koreanisch Madang heißt, benannt nach den Innenhöfen koreanischer Häuser - stellen Gruppen und Initiativen ihre Aktivitäten zu Gerechtigkeitsthemen eindrücklich dar, und es ist immer gut, zu verweilen und denen zuzuhören, die hier mitarbeiten.
Für die erste thematische Einheit zum Thema der Vollversammlung hatte der ÖRK drei Referenten eingeladen und damit inhaltliche Schwerpunkte gesetzt. Diese drei Vorträge gehören zu dem besten, was ich hier bisher gehört habe: Zuerst Dr. Michel Didibé, Geschäftsführer von UNAIDS, aus Mali, der über die internationalen Herausforderungen von
HIV/AIDS redete, und das mit einer seltenen Klarheit:
Drei Ziele hob er hervor:
1. „Zero infection!“
2. „Zero discrimination!”
3. „Zero death!“
Diese Ziele anzuerkennen und mitzutragen ist eine notwendige Aufgabe christlichen Kirchen. Sie sind in vielen Regionen der Welt die wichtigsten zivilen und
sozialen Einrichtungen, die Aufklärung und Hilfe anbieten können. Aber
sie sind gleichzeitig häufig auch genau die Einrichtungen, die HIV
Infizierte moralisch verurteilen, stigmatisieren oder sogar ausgrenzen.
Dann Dr. Wedad Abbas Tawfik, Professorin in Kairo, aus der Koptisch-Orthodoxen Kirche, die die Situation der Christen in Ägypten und im Nahen Osten thematisierte.
Und schließlich Bischof Duleep de Chikara, ehemaliger anglikanischer Bischof von Colombo in Sri Lanka, der eindrücklich eine Theologie der Leidenden skizzierte, in deren Mittelpunkt die Würde und die Menschenrechte stehe, und die so auch gemeinsam mit anderen Religionen wirken könnte. Ein echtes Highlight fand ich seinen Vorschlag, in den Mittelpunkt ökumenischer Gottesdienste die Fußwaschung zu stellen: "As we are not able to celebrate communion
together in ecumenical assemblies, why don't we celebrate a liturgy of
foot washing instead?"
Es ist wichtig, dass die Menschen und die Kirchen aus diesen Leidenssituation auch auf dieser Vollversammlung gehört werden, und dass sie die Unterstützung der Kirchen weltweit erfahren. Welche der Themen am Ende in Statements oder Resolutionen besonders hervorgehoben werden und in Programmen besonders bearbeitet werden, wird sich in der nächsten Woche entscheiden. Eine spirituelle Tiefe liegt aber darin, dass diese Zeugnisse gehört werden und in den Andachten und Gebeten immer ihren Raum haben. So weisen sie über das individuelle Erleben hinaus und werden im Gebet geteilt. Das ist Ökumene!
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen